Eine tierisch-raffinierte Metapher über den Potsdamer Platz!
Inhalt
MAUERHASE
Die Berliner Mauer: Es ist eine wichtige Lektion der Geschichte, dass ein System der Ordnung durchaus auch etwas völlig Unerwartetes produzieren kann.
Nicht völlig unerwartet kam somit für mich die Meldung, dass 20 Jahre nach dem Mauerfall kein Filmemacher hierzulande auf die Idee kam, eine Dokumentation über ein tierisches und wohl einmaliges, geschichtliches Phänomen zu produzieren.
Allerdings – trotz deutschester, deutscher Vergangenheit, mit Teilung und Schießbefehl, haben sich zwei junge, polnische Regisseure auf die „Hasenjagd“ begeben. Mit grandiosem Erfolg, denn die Dokumentation MAUERHASE (Originaltitel: Królik po berlinsku) wurde 2010 sogar für den Oskar nominniert und erhielt zahlreiche andere internationale Auszeichnungen.
MAUERHASE – Rabbit a la Berlin
Der ungewöhnliche und bewegende Film MAUERHASE (Originaltitel: RABBIT A LA BERLIN) beinhaltet das zwangsweise Beisammensein von tausenden Kaninchen und einsamen, wunderlichen Menschen. Auf einem 120 Kilometer langen Grenzstreifen, der Berliner Mauer, entstand -eher zufällig- über die Jahrzehnte des Kalten Krieges eine Art überdimensionaler, reichbevölkerter Kaninchenbau.
Und Ironie der Zeitgeschichte: Was auf der einen Seite über 28 Jahre für Menschen aus Ost und West die Todeszone war, bot andererseits den Wildkaninchen Schutz und Nahrung und machte es zu dem sichersten Platz – den sie wohl je hatten. Umgeben von saftigem Gras und ohne natürliche Feinde waren die Kaninchen zwar eingeschlossen aber dennoch glücklich…
Jedoch beinhaltet dieses Thema genug Stoff für eine Dokumentation? Aber ganz sicher!
Die konsequent aus der Perspektive der Kaninchen entstandene Parabel bietet eine unterhaltsame wie auch ernste und überraschende Bildcollage über das „No Man’s Land“. Bestehend aus hoppelnden Genossen mit langen Ohren und einem geschickt eingebundenen Stück deutscher Vergangenheit, lässt der Film mal einen ganz anderen Blickwinkel auf die Teilung Berlins entstehen.
Der MAUERHASE im Kino
Die Regisseure Bartek Konopka und Piotr Rosolowski gehen historischen Tatsachen nach und zeigt anhand von Archivmaterial possierliche Bilder der Mümmelmänner am Boden und bedrückende Aufnahmen der Berliner Mauer aus der Luft. Ergänzt wird der kurzweilige Film mit Interviews von ehemaliger Grenzsoldaten, einem sogen. Hasenspezialisten und anderen mehr oder weniger skurilen Zeitgenossen.
Begleitet wird der MAUERHASE durch eine erzählende Stimme, die mit witzig-ironischem Unterton interessante Hintergrundinformationen für den Zuschauer bereithält.
MAUERHASE, Filminhalt
Die Dokumentation beginnt mit Schwarz-Weiß-Originalaufnahmen. Sie zeigen die Berliner Bevölkerung kurz nach Kriegsende, wie diese für die Selbstversorgung auf dem Potsdamer Platz Kleingärten anlegt. Und mittendrin – die Meute von einigen hundert, gleichfalls ausgehungerten Wildkaninchen.
Doch eines Tages rollen Panzer auf den Potsdamer Platz und Soldaten beginnen Stacheldraht zu ziehen, der später einer unüberwindbaren Mauer für Freund und Feind weicht…
Zuerst argwöhnisch von den Kaninchen beäugt und dann geliebt, bietet es plötzlich ein Refugium, was nahezu an paradiesische Verhältnisse erinnert. Bewaffnete Wächter übernehmen sozusagen persönlich die Verantwortung für das Wohlergehen der kleinen Nager.
Mehr noch, die enge Nachbarschaft mit den Grenzsoldaten förderte ein geradezu inniges Verhältnis zutage, denn es war aus politsch-taktischen Gründen verboten auf die Kaninchen zu schießen.So verleiren mit der Zeit die tierischen Genossen jede Scheu, werden in ihrer kleinen, überschaubaren Welt träge und faul und vermehren sich im Schatten der Panzersprerren zu Tausenden.
Doch ein vermeintliches Paradies wäret bekanntlich nicht ewig…
Nachdem einer neuer „Zoodirektor“ (Erich Honecker) die Oberaufsicht übernimmt, werden die Zeiten restriktiver. Das Gras in dem Grenzstreifen wird zu Gunsten der lückenlosen Kontrolle des Menschen vernichtet und das Unkraut-Ex macht auch der Kaninchenpopulation den Garaus. Von diesem Zeitpunkt an muss und darf auf alles geschossen werden, was zwei oder vier Beine hat…bis zu jenem, denkwürdigen Tag – an dem die Mauer fällt…
Sind die Mauerhasen die Verlierer der Wende ?
Von nun an heißt es mit den neuen Gegebenheiten, der neuen Freiheit zurechtzukommen und nicht unter die Räder zu geraten. Ein Schicksal, welches die Kaninchen bald mit den Bürgerinnen und Bürgern in ganz Osteuropa teilen…
MAUERHASE, Filmkritik
Der Film lief auf dem DOK-Leipzig 2009 unter der Rubrik „Best of MDR“ und zählte für mich zu den Highlights des Festivals!
Mit der Dokumentation MAUERHASE schafften die polnischen Filmemacher mit Bravour den Spagat zwischen einer faszinierenden Geschichtsstunde und einem „Tier-Film“. In der nur vordergründig bestechend, träumerisch anmutenden Geschichte, die mit vielen allegorischen und noch nie veröffentlichten Bildern über die Berliner Mauer einhergeht, wird ein vorhandenes Panoptikum aufgezeigt, welches es im Nachhinein betrachtet geradezu unwirklich erscheint.
Fazit: Eine tolle und nachdenklich machender Film, der völlig ohne Kitsch und Sentimentalitäten auskommt und die es verdient hätte, noch einmal einem breiteren Kinopublikum gezeigt zu werden. Ich drücke jedenfalls die Daumen für die Oskar-Nominierung…
Ein Skandal erhält Oscar als bester Dokumentarfilm
Nicht der MAUERHASE bekommt den Oscar in der Kategorie „Bester Dokumentarfilm, sondern die DIE BUCHT.
Damit steht der ehemalige Delfintrainer Ric O’Barry im hellen Rampenlicht und es es wird endlich der Focos auf das dunkle Geheimnis des japanischen Fischerorts Taiji gerichtet. DIE BUCHT – die skandalöse Praktik, der jährlich rund zweitausend Delfine zum Opfer fallen, und das Versteckspiel vor der Öffentlichkeit um dieses grausige Geschehen hat damit ein Ende!
Die Welt bzw. viele Japaner haben erst durch diese Dokumentation von der brutalen Delfinjagd in ihrem Land und der hochgradigen Vergiftung des Delfinfleisches erfahren. DIE BUCHT deckt schonungslos auf, wie die Delfinarienindustrie mit den Treibjagden dort verflochten ist.
PS.: Die Oscar-Preisverleihung ist in Japan die meist gesehene Fernsehsendung. Die Tierschutzverbände WDCS, Pro Wildlife und OceanCare – offizielle Partner von DIE BUCHT – hoffen somit, dass die japanische Regierung durch die Auszeichnung des Films mit einem Oscar stärker unter Druck gerät.
AND I, HOPE ALSO!!
Studio / Verleih / Bild-und Textnachweis: MS FILMS MAUERHASE,
Ich (75) habe den Film in der KHM am 13.12. gesehen. Es ist ein toller und nachdenklicher Film. Alle zogen an einem Strang – die Menschen in der DDR und die Rabbits. Mit dem Mauerfall mußten beide – der normale DDR-Bürger und die Rabbits mit der neuen Situation zurechtkommen. Jetzt liebt man direkt die Wildhasen. Leider war die anschließende Diskussion sehr schlecht zu verstehen. Die Moderatorin sprach sehr sehr leise und man konnte kaum was verstehen. Für Herr Rosolowski hat mir das sehr gleid getan.